Die Lyrischen Klavierstücke von Edvard Grieg etwa – durchaus bekannt aus dem Klavierunterricht, im Konzertsaal aber selten zu hören - wirken auf mich wie nonchalant dahin geworfene Tagebuchnotizen, bisweilen kaum ausgearbeitet; atemberaubend die Fülle origineller Einfälle mit klanglichen Raffinessen, die schon einen Claude Debussy erahnen lassen. Dessen Klavierstück Reflets dans l'eau hingegen präsentiert sich ausgefeilt bis in die verborgensten Winkel der Komposition, „nach neuen Regeln und nach den modernsten Entdeckungen der harmonischen Chemie...", wie er dem Verleger Durand schrieb. Formvollendete musikalisch-poetische Seelengemälde - und in ihrer Bevorzugung der schlichten dreiteiligen Liedform sogar ähnlich - sind sowohl die Nocturnes von Frédéric Chopin als auch die letzten Klavierstücke von Johannes Brahms, die er Monologe genannt haben soll. Jedoch wirken die Stimmungslagen beider Komponisten auf mich ganz unterschiedlich: Chopins Musik bleibt auch in den dunkelsten Augenblicken hoffnungsvoll; hingegen sind bei Brahms selbst die heiteren Momente von einem Grundton tiefer Resignation durchzogen.
Ein Wechselbad tiefer, widerstrebender Empfindungen erlebe ich in Mozarts weltberühmter Fantasie c-moll. Schon in der Hochzeit der klassischen Sonate entwickelte Mozart mit der Notation seiner Fantasien einen Prototyp einer individuellen, freien Darstellungsform. Diese emotionale Dichte erreichte Beethoven in seinem kleinen Klavierstück Für Elise nicht. Wohl aber eine Popularität, die er sich zu Lebzeiten nicht einmal im Traum hätte vorstellen können. Und er hinterließ uns das Rätsel, wer denn nun diese Elise gewesen war...